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SNAPSHOT VARIATIONS

The exhibition Snapshot Variations (Aufnahme & Umformung) presents large-format canvases by Austrian artist Esther Messner and Colombian-Mexican artist Stinkfish. Both artists focus on portraiture using photographic material as their starting point, which they transmute in their artistic process. Snapshot Variations (Aufnahme & Umformung) highlights this decisive shift, with the exhibited works presenting the results of two very different artistic positions.

The exhibition opens on May 12th (7pm) and will run through May 18th, 2017. The show can be viewed daily from noon until 7pm at the hinterhof :lab, Neubaugasse 25 (courtyard), or by appointment. The entrance is free.

 

Viennese Skate Films: 

Wednesday, May 17 / 7pm  

Neubaugasse 25/ Innenhof / 1070 Vienna / Austria

Bei einer Ausstellung erwartet man Gemeinsamkeiten, Koharenz, und Zusammenhänge zwischen den gezeigten Werken. Die Arbeiten der österreichischen Künstlerin Esther Messner und von dem Kolumbianer-Mexikaner Stinkfish könnten auf den ersten Blick aber nicht unterschiedlicher sein – und auch der zweite Blick lässt einen die Verbindung, den berühmten roten Faden, suchen. Beginnen wir also mit dem Offensichtlichen, den Unterschieden:

In ihren Arbeiten verbindet Esther Messner gestisch abstrakte Malerei mit minuziöser Bleistiftzeichnung - anderthalb Jahre hat sie an den großformatigen Leinwänden The Aiello Family und Working Class Enöckl gearbeitet. Diese zeitintensive Arbeitsweise ist wichtig für die Künstlerin. Sie selber nennt es einen inneren Reifeprozess – nicht auf die eigene künstlerische Entwicklung bezogen, sondern auf ihre persönliche. Es ist eine intensive Auseinandersetzung einerseits mit den ‘großen’ Themen des Lebens, wie Familie und das Älterwerden, andererseits aber auch mit ihrer eigenen Rolle in der Wiener Skate Szene. Diese ‘Subkultur’ liefert Esther Messner ihre Motive – sie ist fest verankert in der Szene, nennt sie ihre “Familie” und die Akteure ihre “Musen”.

Ihre Freunde sehen, dass sie fotografiert werden, inszenieren sich und sind mediengewandt. Entweder richtet sie ihr Handy oder ihre Kamera gezielt auf eine Person – es kann Monate dauern, bis sie das ‘richtige’ Foto schießt – oder sie fotografiert wahllos drauf los. Wie Stinkfish, hat sie ein Bilderarchiv aus dem sie schöpft und vieles bleibt liegen, bis es zu einem späteren Zeitpunkt plötzlich den richtigen Kontext gibt. Die fotografische Vorlage wird von ihr nicht manipuliert. Sie wird ausgedruckt, zum Teil in fragwürdiger Qualität, und dient so als Vorlage.

Seit über 10 Jahren hat es ich Esther Messner zur Aufgabe gemacht ein äußerst lebendiges soziales Gefüge zu dokumentieren und sie spürt in ihren Bildern der Veränderung nach. Das betrifft physische Veränderungen – ein neuer Haarschnitt, eine Falte mehr – aber viel mehr noch den Wandel von zwischenmenschlichen Konstellationen: die einen haben Kinder bekommen, die anderen sich längst getrennt, und manche Akteure tauchen gar nicht mehr auf. Dieser dynamsichen sozialen Verband steht im starken Kontrast zu der akribischen, fast obssesiven Bleistift Zeichnung. Die Künstlerin gesteht, dass ein Bild erst fertig ist, wenn es verkauft ist.

 

Die Entwicklung und Arbeitsweise von Stinkfish steht im Gegensatz du der klassischen künstlerischen Ausbildung und traditionellen Praxis von Esther Messner. Er versteht seine Tätigkeit als Graffiti und verweigert die Bezeichnung als Künstler. Das man seine Werke und seine Tätigkeit trotzdem mit den Begriffen und Theorien der Kunstwissenschaft umschreiben und analysieren kann, sei dahin gestellt. Um seine Arbeitsweise und seine Werke zu begreifen, ist dieses Selbstverständnis von Stinkfish jedoch wesentlich.

 

Seine Hauptwerkzeuge sind die Sprühdose und selbstgeschnittene Stencils. Der Untergrund auf dem das Werk entsteht ist unterschiedlich: Wände im öffentlichen Raum, sowie gefundene Objekte und Leinwände die seine Ästhetik in den Innenraum tragen. Formal werden die Werke von Stinkfish von seiner Arbeit auf der Straße diktiert: Im lauten, hektischen Stadtbild muss etwas herausstechen. Gesichter erfasst man schneller als Ganzkörperdarstellungen, die Farben gelb und schwarz bilden einen starken Kontrast, der gut von der Weite und beim vorbeifahren erkannt werden kann. Die geometrischen und ornamentalen Formen sind bedingt vom Material – was ist mit einer Sprühdose möglich, welche Linien und Formen können gezogen werden. Diese formalen Elemente werden von Stinkfish auf seine Leinwandarbeiten oder seine mit Tinte übermalten Zeitschrift- und Plattencover übertragen, wo sie jedoch durch andere Techniken erzeugt werden müssen.

Stinkfish portraitiert Gesichter die ihm ins Auge stechen, aber geht weder auf diese Menschen zu, noch spricht er sie an. Er fotografiert sie ohne Ihr Wissen, in Momenten wo sie Gedankenverloren die vielen Masken und Rollen die jeder Mensch einnimmt abgelegt haben. Die daraus entstehenden gemalten Portraits wirken entrückt, sind weder zeitlich noch örtlich einordenbar und sind geprägt von einer auratischen Einsamkeit.

 

Der fotografische Akt hat den selben Stellenwert im Schaffen von Stinkfish wie das malen. Selber beschreibt er es als einen zyklischen Prozess: Die Fotos sind Vorlage für ein Mural, bei der Ausführung auf der Strasse entstehen neue Aufnahmen, die wiederrum als Inspiration für die nächste Arbeit dienen. Die Geschwindigkeit mit der er die Fotos schießt, spiegelt sich in der raschen Ausführung seiner Werke wider – wobei eine schnelle Arbeitweise auch Vorrausstezung für die Arbeit auf der Straße ist. Die Gegenüberstellung von Vorlage und ausgeführtem Werk ist nicht nur ein integraler Bestandteil, sondern auch eine Weiterführung seiner Praxis: Entweder in analoger Form, wie in dieser Ausstellung, oder aber virtuell aufbereitet auf Instagram, Flickr oder seinem Blog. Zudem verwendet er das selbe Portrait oft mehrmals – für verschiedene Wände, Leinwände, und Grafiken. Das Werk besteht also nicht aus einem Objekt, sondern aus vielen Ebenen die miteinander verflochten sind und auf einander verweisen.

 

Was nun, sind die Gemeinsamkeiten, die am Anfang eingefordert wurden? Sowohl Esther Messner als auch Stinkfish beschäftigen sich mit dem traditionswürdigen Genre des Portraits und verwenden fotografische Vorlagen. Bei beiden ist das Ziel nicht die treue Wiedergabe des fotografisch festgehaltenen Momentes, sondern die Umformung und Weiterführung zu einem eigenständigen Bild. Wesentlich für Esther Messner und Stinkfish sind aber auch die Referenzen, Verflechtungen, und Verweise der einzelnen Werke auf – und untereinander. Das wirklich spannende an der gezeigten Gegenüberstellung ist auch hier wieder ein Unterschied: nämlich mit welchen Mitteln ihnen das gelingt. Esther Messner in dem sie sich einer zeitintensiven Dokumentation einer ganz spezifischen, enggefassten sozialen Gruppe verschrieben hat. Stinkfish, in dem er ein und dasselbe Portrait einer unbekannten Person in den verschiedensten Medien, an unterschiedlichen Orten – sowohl reale als auch virtuelle – ausführt. Unterschiede – das Salz in der Suppe.

Anke Wiedmann

AUFNAHME & UMFORMUNG

Photos by Antonia Mayer
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